AM10 – Brief an Walter Gropius
Toblach, Sonntag, 31. Juli 1910


Ein Sonntag

[Postskriptum:] Du kommst nicht her!!! Ich bitte es!!

[Postskriptum:] ist in einem so schrecklichen Zustand[.] Ich fürchte für seine Gesundheit. Wir Beide sind sehr elend.

Ich habe mir gestern wieder 2 Briefe von Dir geholt –. A. M. 40 – alles in Ordnung – Nun verstehe ich den vorgestrigen Abend immer weniger. – Das Einzige – was mich glauben lassen könnte, dass Du die Adresse mit Absicht an Herrn geschrieben hast – ist der Passus in Deinem \heutigen/ Brief: „Hat Dein Mann noch nichts gemerkt? Schreibe mir alles aufrichtig, ich werde Dich immer recht verstehen!!“


Sonst aber müsste ich an Sinnesverwirrung denken u. ich thu es lieber –. Was für Thränen – – sind seit diesem Abend geflossen!! u. ich haben den ganzen Tag gestern geweint – u. furchtbare Dinge geredet –. Es zerreisst mir das Herz – ihn so leiden zu sehen! Da es quasi durch Zufall herausgekommen ist u. nicht durch ein offenes Geständnis von meiner Seite – hat er jedes Vertrauen, jeden Glauben an mich verloren! –

Du hast uns Beide so namenlos leiden ge-

gemacht – Du hast keine Ahnung, was für Consequenzen – Deine That noch nach sich ziehen kann[.] – —

Denke an \über/ das, was ich Dir jetzt geschrieben habe \nach/. – Mit fieberhafter Sehnsucht erwarte ich Deinen Brief[,] worin Du mich aufklären musst.

Bedenke – der Brief, in dem Du offen von den Geheimnissen unsrer Liebesnächte schreibst – war an: Herrn – Toblach – Tirol

addressirt. Wolltest Du das wirklich? Und er hätte es fast gelesen – \und/ ichund ich!?? –

Ich bin so fassungslos – so zerrissen[.] – Mein Glaube an Dich so ist so gesunken – ich weiß nicht, was geschehen wird – ich wollte Gift nehmen – aber ich – kann – noch – nicht! Komme nicht her! SchreibeA. M. 40[.] Ich hoffe darauf, dass Du irgend etwas zu Deiner u. meiner Rettung sagen kannst.


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

2 Bl. (4 b. S.) – Briefpapier mit dunkelblauem Monogramm (Zum Material von Alma Mahler) aus den stilisierten Initialen AMs in Prägedruck (, ).

Beilagen

Umschlag, , Herrn Walter Gropius | Neubabelsberg bei | Berlin | Stahnsdorferstraße 83; PSt. (lt. , S. 531, Nr. 112): TOBLACH 2 | 31 | 7 | # # | 10 | c; fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an : „[31.7.1910]“; rückseitig: fremdschr. Zusatz nach Übergabe an : „43“.

Druck

, S. 99, bei Anm. 119 (Auszug), , S. 108 bei Anm. 52 sowie , S. 40, bei Anm. 97 (jeweils Auszüge), , S. 104, bei Anm. 103 (Auszug), , S. 842, bei Anm. 78 (vollständig in engl. Übersetzung), , S. 10, bei Anm. 8 und 14 (jeweils Auszüge), , S. 10, bei Anm. 8 und S. 11, bei Anm. 14 (jeweils Auszüge in engl. Übersetzung).

Korrespondenzstellen

Antwort auf WG22 vom 27. oder 28. Juli 1910 (Dein Geständnis unserer ersten Liebesnacht läßt mir keine Ruhe): der Brief, in dem Du offen von den Geheimnissen unsrer Liebesnächte schreibst. Beantwortet durch WG24 vom 1. oder 2. August 1910 (In jedem Fall ist mein Kommen notwendig): Du kommst nicht her!!!, WG25 vom 1. oder 2. August 1910 (Dein Brief macht mir grausige Angst um Dich \Euch/): Gustav u. ich haben den ganzen Tag gestern geweint – u. furchtbare Dinge geredet –. Es zerreisst mir das Herz – ihn so leiden zu sehen! und WG26 vom 1. oder 2. August 1910 (Ich ängstige mich zu tot. laßt mich nicht ohne Nachrichte[n]): Du hast keine Ahnung, was für Consequenzen – Deine That noch nach sich ziehen kann.

Datierung

Schreib- und Absendedatum: irrtümlich „vermutlich Juni 1910“ (, S. 448, Anm. 119), „[31.7.1910]“ (, S. 108, Anm. 52 und , S. 40, Anm. 97 und S. 309), Übernahme dieser Datierung bei , S. 842, Anm. 78, „‚Ein Sonntag‘, [31. Juli 1910]“ (, S. 10, Anm. 8 und 14), „‚Ein Sonntag‘ [A Sunday], [31 July 1910]“ (, S. 10, Anm. 8 und S. 11, Anm. 14).

Datiert durch AM und Poststempel: Sonntag, 31. Juli 1910.

Themenkommentar

Übertragung/Mitarbeit


(Manuel Tietz)
(Jannik Franz)


A

Dreifach unterstrichen.

B

2 Briefe – Entwürfe nicht überliefert.

C

A. M. 40 – s. WG5 vom 17. Juli 1910.

D

vorgestrigen Abend – Der Brief von , der wahrscheinlich aus dem Entwurf WG22 entstand und die Katastrophe (WG49 vom 21. oder 22. August 1910) ausgelöst hat, wurde wahrscheinlich 27. oder 28. Juli 1910 versendet und traf demnach am Freitag, den 29. Juli, abends bei ein.

E

mit Absicht an Herrn G. Mahler – s. Themenkommentar: Der fälschlich adressierte Brief an Gustav Mahler.

F

heutigen Brief – Briefentwurf nicht überliefert.

G

Doppelt gesetzte Anführungs- und Endzeichen.

H

Dreifach unterstrichen.

I

Beide Wörter mehrfach unterstrichen.